Die digitalen Medien sind in der internen Kommunikation weiter auf dem Vormarsch. Intranets, E-Mails und Newsletter gehören mit 81% zu den meistgenutzten Kanälen. Microsoft 365-Anwendungen wie Sharepoint-basierte Intranets, Viva Engage und Teams sind mittlerweile Standard in der Unternehmenswelt. Die Vielzahl der digitalen Kanäle ist dabei sowohl Fluch als auch Segen, da sie stringente Governance und ein neues Verständnis von interner Kommunikation erfordern.
Der Siegeszug der digitalen Medien in der internen Kommunikation
Die verständnislosen und als anklagend empfundenen Blicke meiner Ex-Chefin Sabine Bendiek bei Microsoft bleiben mir in Erinnerung. Wie kann das sein, dass ich in „leere Gesichter“ schaue, wenn ich über unsere strategischen Prioritäten für das nächste Finanzjahr spreche? Die haben davon noch nie etwas gehört. Wir müssen das besser kommunizieren“, so die Order. Diese Erfahrung beschreibt ein verbreitetes Dilemma. Laut dem Internal Communications Monitor 2024[1] sehen 57 Prozent der Kommunikationsverantwortlichen es als größte Herausforderung an, dass die Botschaften die Mitarbeitenden erreichen. Das führt schnell zur Reaktion, „aus allen Rohren zu feuern“, damit die Botschaft überall ankommt. Doch die Erfahrung zeigt und Zahlen belegen, dass dies nicht funktioniert. In einer repräsentativen Umfrage[2] von bonsai Research im Auftrag der Hamburger Agentur nwtn geben 55% der Befragten an, unzufrieden mit der internen Kommunikation ihres Unternehmens zu sein. 14,6 Prozent finden es schwierig, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden, und 20,8 Prozent beklagen, dass über zu viele Kanäle kommuniziert wird. Vor allem große Unternehmen stechen dabei hervor, weil deren Mitarbeitende zu zwei Dritteln nicht bereitsind, mehr als sechs Minuten pro Tag für die Aufnahme von Botschaften der internen Kommunikation aufzuwenden.
Kanalvielfalt stiftet Verwirrung
Ein erheblicher Teil der Ursachen ist hausgemacht und wurde in den letzten Jahren mit dem Ausbau der digitalen Kanallandschaft zu einem wachsenden Problem. Intranet, Viva Engage, Teams, Mails und Newsletter konkurrieren um Aufmerksamkeit und stiften ungewollt Verwirrung.
Ein Paradigmenwechsel: Von der Sendetastezum Zuhören
Kommunikationsabteilungen sollten von der Vorstellung Abschied nehmen, dass alle Mitarbeitenden das gleiche Konsumverhalten bei der Aufnahme von Informationen zeigen. Der verbreitete One-Size-fits-All-Ansatzerfüllt nicht die Erwartungen der Adressaten, die sich in ihren Informationsbedürfnissen nach Alter, Betriebszugehörigkeit, Funktion, Rolle und weiteren Kriterien unterscheiden.
Zu Ende gedacht führt dies zu einem Paradigmenwechsel: weg von der Sendetaste, hin zu einem empathischen Zuhören, um zu verstehen, was die Mitarbeitenden inhaltlich wollen und auf welchen Kanälen und in welchen Formaten die Botschaften übermittelt werden sollen.
Personas als Schlüssel zum Erfolg
Was im Marketing etabliert ist, muss auch in der internen Kommunikation Einzug halten – nämlich die Entwicklung von Personas, die Aufschluß über die Rezeptionsgewohnheiten der Zielgruppen geben. So wird Kommunikation relevant und bedient die Gewohnheiten der Zielgruppen. In einer Studie der HWZ[3] in Zürich wird dieser Ansatz beschrieben und inzwischen auch erfolgreich in derUnternehmenspraxis adaptiert, z.B. bei E.ON Energie Deutschland[4].
Technische Infrastruktur als Grundlage fürerfolgreiche interne Kommunikation
Das Wissen um die Bedürfnisse der Mitarbeitenden nützt wenig, wenn die Infrastruktur des Unternehmens nicht zulässt, personalisierte Kommunikation zu ermöglichen. Für 43,8 Prozent der Befragten des Internal Communications Monitors 2024 stellt die fehlende Personalisierung ihres Intranets die größte Herausforderung dar. Das Entra-ID (ehemals Active Directory) benötigt möglicherweise eine Generalüberholung, um diese Möglichkeiten zu erschließen. Eine enge Zusammenarbeit mit IT und HR ist hierunerlässlich.
Stringente Kanal-Governance: Orientierungim digitalen Kommunikationsmix
In vielen Unternehmen wurden digitale Plattformenfreigeschaltet, ohne zu klären, was darauf eigentlich passieren soll. So existieren Sharepoint-Intranets, Mitarbeiter-Apps, Viva Engage und mehrnebeneinander und werden ohne Plan bespielt. Die Lösung liegt in einer stringenten Kanal-Governance, basierend auf den ermittelten Informationsbedürfnissen der Zielgruppen einerseits und einem klaren Regelwerk, was wo stattfindet, andererseits. Eine Festlegung z.B., alle Personalnachrichten nur auf Viva Engage oder alternativ im Intranet zu veröffentlichen, könnte für Orientierung sorgen und eine Lenkungswirkung zu den jeweiligen Plattformen haben. Es ist nützlich, diese Governance nicht nur zuhaben, sondern sie auch transparent gegenüber den Mitarbeitenden zu machen.
Fazit
Trotz der weitreichenden Verbreitung digitaler Tools kämpfen viele Unternehmen mit der Herausforderung, ihre Botschaften effektiv an die Mitarbeitenden zu vermitteln. Der Ansatz, Informationen über zahlreiche Kanäle gleichzeitig zu verbreiten, führt oft zu Verwirrung und Unzufriedenheit, wie Studien belegen.
Ein Paradigmenwechsel in der internen Kommunikation ist notwendig: weg vom One-Size-fits-All-Ansatz hin zu einer personalisierten und zielgruppenorientierten Kommunikation. Dies erfordert ein tiefes Verständnis der unterschiedlichen Informationsbedürfnisse der Mitarbeitenden, basierend auf Kriterien wie Alter, Betriebszugehörigkeit und Rolle. Die Entwicklung von Personas, wie im Marketing etabliert, kann hierbei helfen, die Kommunikation relevanter und effektiver zu gestalten.
Neben der inhaltlichen Anpassung ist auch die technische Infrastruktur entscheidend. Personalisierte Kommunikation setzt ein gut strukturiertes und funktionales Intranet voraus, das auf die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeitenden eingehen kann. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Kommunikationsabteilung, IT und HR ist hierbei unerlässlich.
Schließlich bedarf es einer stringenten Governance der genutzten digitalen Kanäle. Klar definierte Regeln und Transparenz darüber, welche Informationen auf welchen Plattformen veröffentlicht werden, können Orientierung bieten und die Effektivität der internen Kommunikation erhöhen. So wird die Vielzahl der Kanäle nicht zur Belastung, sondern zur Bereicherung der Unternehmenskommunikation.
Über den Autor:
Thomas Mickeleit ist Gründer und Leiter der AG CommTech. Mit seiner Beratungs-Boutique KommunikationNeuDenken begleitet der langjährige Microsoft Deutschland Kommunikationschef Kommunikationsabteilungen auf dem Weg ihrer digitalen Transformation.
[1] Internal Communications Monitor 2024, SCM, Staffbase, S. 26
[2] https://pr-journal.de/lese-tipps/studien/31782-interne-kommunikation-weniger-ist-mehr.html
[3] Eine empirische Analyse zur Ermittlung des Informationsprozesses von Mitarbeitenden, Catherine Ammann, Prof. Dr. Claude Meier, Dr. Andreas Jäggi, Hochschule für Wirtschaft Zürich, 2022, https://zenodo.org/records/6542716#.YrSDoHZByUk
[4] Vortrag Maike Molling E.ON Energie Deutschland, VOICES 2024, Youtube ab Minute 11.05 https://www.youtube.com/watch?v=sPGOjj2CLrQ